09.11.09—01.05.10
Vergangene Ausstellung

1989

1989 ist ein Schicksalsjahr – auch für die Villa Schöningen, jenes Haus an der Glienicker Brücke, an der Nahtstelle zwischen Berlin und Potsdam, zwischen Ost und West, wo im Kalten Krieg vor den Kamera-Augen der Weltöffentlichkeit amerikanische und sowjetische Agenten ausgetauscht wurden. 1989 wurden die Kinder, die in dem Wochenheim an der deutsch-deutschen Grenze untergebracht waren, Zeugen der friedlichen Revolution, sahen, wie überraschend auf einmal Autos über jenen weißen Streifen fuhren, der noch kurz zuvor der Todesstreifen war. 1989 heißt nun auch die erste Ausstellung, mit der die Villa am 09. November 2009 als deutsch-deutsches Museum eröffnet wird – ein Projekt in Kooperation mit der Kunsthalle Wien, oder anders ausgedrückt, ein Satellit der Ausstellung in Wien.

​Warum Potsdam, warum dieses seltsame Haus Villa Schöningen? Wie Jahresringe eines Baumes lagern sich die Epochen und Episoden an der 1843 von Ludwig Persius, dem Architekten des preußischen Hofes, errichteten italienischen Turmvilla ab: Gegründet aus der ästhetischen Laune eines romantischen Königs heraus, belebt und bewohnt vom jüdischen Mitbegründer der Deutschen Bank, Ort der Kunst, dann Opfer deutscher Nazis und russischer Kommunisten, später sozialistische DDR-Kindererziehungsanstalt, schließlich „Beinahe“-Opfer einer Immobilienentwicklungsidee.

​Die Villa Schöningen war Villa Kunterbunt und Villa Todtraurig. Aus der fast schon zum Abriss freigegebenen Ruine ist nun nach sorgfältiger denkmalschutzgerechter Wiederherstellung ein Museum geworden – ein öffentlicher Ort der Geschichte, der Kunst und der Freiheit. Entstanden ist ein kleines, ausschließlich privat finanziertes Kunst- und Geschichtsmuseum für Jedermann und -frau. Nicht mit didaktisch erhobenem Zeigefinger, sondern lebendig, unter Nutzung moderner Technologien und zeitgenössischer Bezüge. Der Gründer des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, und der amerikanische Kunstsammler Ronald Lauder halfen dabei, den richtigen Weg, den eigenen Ton zu finden.

​Das Ausstellungskonzept steht auf zwei besonderen Säulen: Dem Einsatz von Computerbildschirmen als zentralem Medium für Fotografien, Texte und Filme; und dem Aufruf an die Potsdamer und Berliner Bevölkerung, als Zeitzeugen vor der Kamera Geschichten zu erzählen, die sie selbst rund um die Glienicker Brücke und die Villa erlebt haben. So präsentiert sich Geschichte nicht von oben herab, nicht als einschüchternde Wissenschaft für Experten, sondern als einladendes Mosaik, als ein Bild, an dem viele mitwirken und das immer weiter ergänzt werden kann.

In der Ausstellung Spione, Mauer, Kinderheim – an der Brücke zwischen den Welten wird das Grauen totalitärer Regime spürbar. Täter kommen ebenso zu Wort wie Opfer und Beobachter. Geschichte und Geschichten sind aber nur verständlich und bewegend, wenn sie in einem Bezug zur Gegenwart stehen, weshalb es noch eine zweite Ebene im Museum Villa Schöningen gibt: Im ersten Stock ist Platz für zeitgenössische Kunst, die sich im weitesten Sinn mit den Themen des Ortes beschäftigt – Kalter Krieg, Deutsche Teilung, Deutsche Einheit, Totalitarismus und Demokratie, Unfreiheit und Freiheit. Und dann eben 1989. Hier werden wechselnde Ausstellungen von unterschiedlichen KuratorInnen gezeigt, die den Erlebnissen und Erfahrungen in der Ausstellung im Erdgeschoss vielleicht Fragendes, vielleicht Verstörendes, vielleicht aber auch Versichernden hinzufügen.

Beginnen wird alles mit der Ausstellung 1989, die von Gerald Matt kuratiert und von Anfang an in enger Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Wien konzipiert und umgesetzt wurde. Ganz besonderer Dank gilt hier den teilnehmenden Künstlern Rainer Ganahl, Stephan Huber, Anna Jermolaewa, Ilya und Emilia Kabakov, Josephine Mackseper, Boris Mikhailov, Marcel Odenbach, Martin Parr, Susan Philipsz, Marek Piwowski, Neo Rauch und Pedro Reyes sowie den Leihgebern: Unter ihnen sowohl private Sammlerinnen und Sammler wie Elizabeth Dee, New York, Jutta und Claus Claussen, Tübingen, Christiane und Martin Middeke, München und Paul Schwenk, Haigerloch als auch die Galerien von Isabella Bortolozzi, Miriam Charim und Lisa Ungar (CUC Berlin), Reinhard Hauss, Andreas Osarek (Galerie Crone), Thaddaeus Ropac und Nicola von Senger. Ebenso haben das Essl Museum und die Sammlung der Deutschen Bank die Ausstellung mit Leihgaben unterstützt, und hierfür möchten wir besonders Karl-Heinz und Agnes Essl, Ines Ratz, Andrea Wintoniak und Friedhelm Hütte danken.

1989 in Wien und Berlin/Potsdam – das sind zwei Bezugspunkte einer Idee. An beiden Orten kann man heute die konkreten Auswirkungen besichtigen, die der Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs mit sich gebracht haben. Beide Orte, die wirtschaftliche und kulturelle Drehscheibe Wien sowie die ehemals geteilte deutsche Hauptstadt Berlin und ihr Nachbarsort Potsdam, sind Zeugen einer Zeitenwende, die das Ende eines düsteren und den Anfang eines neuen Kapitels in der europäischen Geschichte eingeleitet haben. Den künstlerischen Reflex dieser Umwälzungen in einem Ausstellungskonzept zu verdichten, das nicht banal narrativ verfährt, sondern sich assoziativ, sozusagen von den Rändern her zum Kern der Ereignisse vortastet und das dabei den Genius loci der Ausstellungsstandorte mit berührt, das war die selbst gestellte Aufgabe von Gerald Matt.

Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet, nicht nur wegen der Ausstellungen, die die Besucher in den nächsten Monaten in Wien und Berlin/Potsdam besichtigen können, sondern auch wegen der unzähligen wertvollen Ratschläge, die Gerald Matt uns bei der Konzeption und Gestaltung des Museums Villa Schöningen gegeben hat. Er ist so einer der wichtigsten Geburtshelfer dieses neuen und ganz eigenständigen Museums geworden. Besonderer Dank gilt auch Kuratorin Catherine Hug sowie weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kunsthalle Wien wie Synne Genzmer und Mario Kojetinsky. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass die erste Ausstellung in der Villa Schöningen und der begleitende Katalog nicht nur inhaltlich ein spannendes Projekt sind, sondern dass die Vorbereitungen dazu auch soviel Freude bereitet haben. Unser Traum wäre, dass die Villa Schöningen, dieser von der Geschichte geschundene Zeitzeuge zwischen Berlin und Potsdam, zwischen Ost und West, zu dem wird, was das Haus und sein Garten bis heute niemals waren: ein fröhlicher Ort der Freiheit. Ein Anfang ist mit 1989 im Jahr 2009 gemacht.

Stoff. Textil und der weibliche Akt

Aktuelle Ausstellung

Die Ausstellung betrachtet die Darstellungstradition des weiblichen Akts in Verbindung mit dem künstlerischen Abbilden von Textilien. Kleidung, Stoffe und Draperien in den Werken, sei es in historischen Gemälden oder zeitgenössischen Fotografien, prägen bis heute die Darstellung des weiblichen Körpers – und betonen, verbergen oder zensieren gar die Nacktheit. Mit Werken u.A. von Lucas Cranach, Rembrandt, Paula Modersohn-Becker, Cindy Sherman.

Zudem wird auch eine Installation der Künstlerin Sophie Utikal im historischen Park der Villa Schöningen gezeigt.

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