Traces of the Body
Wir leben in einer Gegenwart, die von Beschleunigung und ephemeren Momenten geprägt ist. Begegnungen, Bilder, Erfahrungen erscheinen und vergehen in rascher Folge. In der Soziologie wird dies auch als „soziale Beschleunigung“ beschrieben, in der sich Rhythmen von Arbeit, Kommunikation und Wahrnehmung permanent verdichten. Flüchtigkeit ist nicht mehr Ausnahme, sondern Grundbedingung des Lebens.
In diesem Spannungsfeld stellt sich die Frage: Was bleibt, wenn das Dauerhafte erodiert und wie lässt sich das Vergängliche überhaupt sichtbar machen? Welche Spuren hinterlassen Körper in einer Zeit, in der sie medial inszeniert, politisch verhandelt und ökonomisch beansprucht werden?
Die Malerei der US-amerikanischen Künstlerin Kylie Manning (geb. 1983 in Juneau, Alaska; lebt in Brooklyn) eröffnet eine poetische Antwort. Ihre Gemälde, erstmals in Deutschland umfassend gezeigt, bewegen sich zwischen Figuration und Abstraktion. Körper erscheinen darin nicht als feste Formen, sondern als Andeutungen. Licht und Bewegung schreiben sich in vielschichtige Flächen ein, die im Prozess von Lasur, Schleifen und Pigmentauftrag ein inneres Leuchten entfalten. Ihre Werke wirken wie Erinnerungslandschaften: vertraut und entrückt zugleich, flüchtige Präsenz im Moment ihres Verschwindens.
Die großformatige Arbeiten von Kylie Manning sind großteils eigens für diese Ausstellung entstand. Ihre Werke stehen in bewusster Korrespondenz zu ausgewählten kunsthistorischen Positionen. So treten sie in Dialog mit Jan Brueghel II, dessen barocke Bildwelten noch versuchten, die Gesamtheit der Welt zu ordnen, Wilhelm Lehmbruck, der Körper in fragile Zustände versetzte, bis hin zu Marina Abramović & Ulay oder Anselm Kiefer, die den Körper als Prozess, Spur und Erinnerung verhandelten. Dadurch öffnet sich ein Resonanzraum, in dem sich Fragen nach Körperlichkeit, Sichtbarkeit, Macht und Gender überschneiden. Der Körper erscheint nicht mehr als Form, sondern als Bewegung, Spur, Übergang.
Traces of the Body fragt danach, wie wir das Flüchtige begreifen können: als Verlust oder als Möglichkeit? Kann gerade das Ephemere ein präziseres Sehen auf den Körper, auf den Moment, auf uns selbst eröffnen?
Pola van den Hövel




