Stoff. Textil und der weibliche Akt
Die Ausstellung „Stoff. Textil und der weibliche Akt“ betrachtet die Beziehung zwischen Textilien und dem weiblichen Akt in der Kunst. Von Meisterwerken des frühen 17. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen Positionen, präsentiert die Villa Schöningen rund 43 Werke verschiedener Genres zu diesem Themenkomplex.
Seit der Antike gilt die Darstellung von Textilien als Königsdisziplin in der Malerei. Dies verdeutlicht die Geschichte von Parrhasios Vorhang um 400 v. Chr.: Die Maler Zeuxis und Parrhasios wetteifern um den Titel des besten Künstlers, dabei wird Zeuxis von Parrhasios Gemälde so getäuscht, dass er versucht den gemalten Vorhang zur Seite zu schieben.
Vorhänge und andere Textilien wie Tücher, Strümpfe oder Laken spielen in der Inszenierung eine zentrale und theatrale Rolle. Sie verhüllen und enthüllen, werten das Verborgene auf und machen es so begehrenswerter. Fungieren daher als zentrales Stilmittel in der langen Darstellungstradition des weiblichen Akts. Doch diese Funktion birgt auch eine Ambivalenz: Was selten gesehen wird, wird oft objektiviert und im Falle des weiblichen Körpers häufig sexualisiert.
Diese Dynamik finden wir beispielsweise bei der “Venus vor dem Bade“, 1610/1620, von Hans Rottenhammer dem Älteren wider. Hier zieht sich ein hauchdünner Schal von der Hand der Venus über ihren Körper bis hin zum Intimbereich Statt Privatsphäre zu schaffen, lenkt die teilweise Bedeckung den Blick voyeuristisch auf den Intimbereich.
Zeitgenössische Künstlerinnen greifen diese Tradition auf und hinterfragen sie kritisch. Cindy Sherman beispielsweise inszeniert sich in ihrer Fotografie „Untitled 447“ bewusst als Objekt, indem sie sich in einem Ganzkörper-Stoffkostüm als nackter Clown darstellt. Diese ambivalente Figur spiegelt den gesellschaftlichen Umgang mit dem weiblichen Körper wider: einerseits häufiges Bildmotiv, andererseits oft zensiert und objektiviert.
Interessanterweise reproduzieren selbst moderne Technologien wie KI-Bildgeneratoren die oft problematische Sichtweisen auf den weiblichen Körper. Während männliche Körper meist realistisch dargestellt werden, zeigen sich bei der Generierung weiblicher Körper häufig anatomische Fehler. Dies wirft Fragen über die Datengrundlage und den gesellschaftlichen Umgang mit weiblichen Körpern auf.
Die Ausstellung „Stoff. Textil und der weibliche Akt“ lädt ein die Rolle von Textilien in der Darstellung des weiblichen Körpers kritisch zu hinterfragen. Die vielschichtigen Funktionen von Stoffen – als Schutz, Zierde oder Täuschung – lenken nicht nur den Blick, sondern ermöglichen auch das Machtverhältnisse sichtbar und in Frage gestellt werden.
Vielleicht wird damit auch ein Teil des Vorhangs für einen offeneren Umgang mit dem weiblichen Körper gelüftet.